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Werders Baumblütenfest gilt heute als zweitgrößtes Volksfest in Deutschland. 16 Blütenköniginnen gaben ihm bereits Glanz. Dabei war die Idee aus der Not geboren ursprünglich hatten die Obstbauern nämlich 1875 zu einer Fruchtausstellung eingeladen. Die erste Werdersche Fruchtausstellung wurde von vielen mit Kopfschütteln und Achselzucken gesegnet. Dennoch übertraf der Erfolg so alle Erwartungen, dass schon im nächsten Jahre die zweite Fruchtausstellung folgte, die sogar durch den Besuch der Kaiserlichen Königlichen Hoheit der Frau Kronprinzessin beehrt wurde, die sich darüber höchst anerkennend aussprach, ist in einem zeitgenössischen Zeitungsbericht zu lesen, den der Werderaner Historiker Balthasar Otto in den Archiven gefunden hat. Ideengeber für die Fruchtausstellung war Wilhelm Wils, der dieses Jahr seinen 170. Geburtstag feiern könnte und der vor 90 Jahren gestorben ist. Zwei runde Gedenktage, die in Werder allerdings irgendwie untergegangen sind. Dabei verdankt die Stadt meinem Urahn viel vom heutigen Glanz, gibt Rita Juche zu bedenken. Sie führt die Obstbauern-Tradition zusammen mit Bruder Bernd Jörg Wils weiter. Wilhelm Wils war seiner Zeit stets ein wenig voraus. Der Erfolg der Fruchtausstellung war ihm nicht genug. Schließlich hatten die Obstbauern damals ja kein Problem damit, ihre Erzeugnisse nach Berlin zu verkaufen. Doch wenn die Ernte mal ausfiel, weil sie von Spätfrösten vernichtet wurde, dann führte dies gleich zu existenziellen Problemen. Deshalb kam Wilhelm Wils auf die Idee, den guten Ruf unseres Obstes zu nützen um erholungssuchende Berliner in unsere Region zu ziehen. Ähnlich wie es heute üblich ist, sollte ein spektakuläres Ereignis die Initialzüngung dafür darstellen: Das Baumblütenfest war geboren. In diesem Rahmen konnten die Besucher Werder kennenlernen und zugleich den Obstwein genießen. Der wurde aus den im Sommer nicht verkauften Früchten hergestellt. Mit dem Blütenfest konnten die Obstbauern also ihre Keller räumen und bereits vor der Ernte Geld verdienen, fasst Rita Juche den genialen Gedanken des Vorfahren zusammen. Der Rest ist Geschichte: Im Mai 1879 wird zum ersten Baumblütenfest geladen. Per Sonderzug werden die Berliner am 10., 11. und 12. Mai nach Werder befördert. Alternativ wird in Zeitungsanzeigen auf die günstige Dampferverbindung verwiesen. Die erste Blütenkönigin gab es 1936. Johanna Schmidt fand allerdings keine Nachfolger, bis diese Idee ab 1989 wieder aufgenommen wurde. Die Familie Wils setzt die Obstbauern-Tradition bis heute fort. Ernst Wilhelm Wils wurde 1862 geboren und führte das Werk seines Vaters ebenso weiter wie sein Sohn Ernst, dessen ausnehmend hübsche Frau Rosalie sicher das Zeug zur Blütenkönigin gehabt hätte. Ihr Sohn Bernhard Wils war zusammen mit Ehefrau Erna wohl das Bindeglied zwischen neu und alt: Das waren meine Eltern. Sie betrieben noch ein wenig Weinbau, mit dem Wilhelm Wils ja begonnen hatte. Das Gros war Obst aller Art, von Kirschen bis zu Johannisbeeren. Um das restliche Jahr zu überbrücken, bauten sie Gemüse wie Tomaten oder Blumen wie Herbstastern an, erinnert sich Rita Juche. Wir mussten von klein an mithelfen. Aber dabei haben wir viel gelernt. Nun betreibt die 59-Jährige die alte Tradition nur noch in kleinem Rahmen: Es macht keinen Spaß, wenn man die Erzeugnisse nicht sinnvoll los wird! Eine Entwicklung, die Wilhelm Wils vor über hundert Jahren wohl vorausgeahnt hat allerdings profitieren nun andere als seine Nachfahren von seiner genialen Idee.
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