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Die Technische Fachhochschule in Wildau, kurz TFH, ist die größte Einrichtung ihrer Art in Brandenburg und hat internationales Renommee. Dozenten und Studenten kommen aus vielen Ländern der Welt. Wer ist der Mann an der Spitze, was bewegt ihn persönlich, wie und warum kam er ausgerechnet nach Wildau?
Professor László Ungvári schwebte, wie man es von einem Ungarn fast erwartet, auf Amors Flügeln nach Wildau. Allerdings nicht auf direktem Weg, sondern von Berlin-Marzahn aus! Der Lebenslauf des begeisterten Wirtschaftsinformatikers hört sich so spannend an, wie es seine Tätigkeit als Manager der TFH heute ist. Ich bin in Cegled, einem kleinen Ort 70 Kilometer südlich von Budapest aufgewachsen. Auf dem Gymnasium waren meine Lieblingsfächer Mathematik und Geschichte. Meine Lehrer waren von mir so begeistert, dass sie meiner Mutter vorschlugen, mich zum Studium in die Sowjetunion zu schicken! Gegen die Verpflichtung, dass der junge László anschließend fünf Jahre in einer staatlichen Firma arbeitet, willigte der ungarische Staat in die Kostenübernahme ein. Für László Ungvári begannen die härtesten und entscheidendsten Jahre meines Lebens. Ich möchte sie aber nicht missen, denn sie haben mich gelehrt, unter schwierigsten Umständen zu leben. Fernab von Heimat, den Eltern, allen Freunden... Wie alte Schwarz-Weiß-Fotografien zeigen, war László so einsam nicht eher ein Schwarm der Studentinnen! Entscheidend war die Begegnung mit Iris aus Gotha. Aus der Studenten-Freundschaft in Leningrad wurde eine Beziehung, die 1978 vor ein ungarisches Standesamt führte.
Informatik-Spezialist Ungvári wurde stellvertretender Leiter der Abteilung Produktion einer Papierfabrik in Solnok. Die haben für mich ihren ersten Rechner gekauft. Ich habe dann Programme für Materialbeschaffung und Warenwirtschaft geschrieben. Die funktionierten, aber damit hatten zwei Frauen, die das vorher per Hand erledigten, nichts mehr zu tun...
Das Paar war sich einig, in Ungarn leben zu wollen. In den Zeiten des Eisernen Vorhangs war das Land schließlich ein sonniges Plätzchen zum Leben. Allerdings hatte Ehefrau Iris sich für das Auslands-Studium ebenfalls ihrem Land verpflichtet und wollte dort ihre Doktorarbeit machen. Also lebte man in Zwangstrennung. Alle vier bis sechs Wochen flog ich fürs Wochenende nach Berlin. Schnell zeigte sich in der Beziehung das wahre Gesicht des Ostblock-Sozialimus. Bei offiziellen Treffen gab es dicke Bruderküsse zwischen den Staatschefs der 'Bruderländer. Im Alltag wurde meine Frau mißtrauisch beäugt und diskriminiert, weil sie mit einem Ungarn verheiratet war. Der angestrebte Abschluss von Iris Ungvárine zog sich in die Länge, die Trennung wurde immer schmerzlicher. Nach vier Jahren stellte Ungvári einen Antrag auf Familienzusammenführung. Der liberal eingestellte ungarische Staat sagte ja und erließ ihm sogar sämtliche Schulden aus den Kosten des Auslandsstudiums. Nicht mal 25 Jahre alt, kam László Ungvári am 9. Februar 1980 in Ostberlin an: Mit einem kleinen Koffer voll persönlicher Sachen und mit Kisten voller Fachbücher!
Zum eigenen Erstaunen fand er bereits einen Monat später eine Anstellung an der Hochschule für Ökonomie und konnte sich dort mit seinem Spezialgebiet Statistik-Modelle befassen. Offenbar schätzen ihn die DDR-Kollegen: Nach wenigen Wochen sagten sie mir: Ab Semesterbeginn im September wirst Du Lehrveranstaltungen halten. Das war der größte Schock meines Lebens. Der Grund: László Ungvári sprach zwar Englisch und Russisch, aber kein Wort Deutsch. Schließlich konnte Ehefrau Iris gut ungarisch sprechen. Täglich zwölf bis 14 Stunden Selbststudium, im September trat ich vor meine Studenten, und die verstanden mich! 1989 promovierte Ungvári über Die Wirkung des Zufalls in der Wirtschaft, und der Zufall war es, der ihn nach Wildau brachte. 1993 stand ich an vier Hochschulen an erster Stelle der
Berufungsliste für eine Professur. Ich sagte mir: Der erste Ruf wird angenommen. In der Wahl waren Berlin, Dresden, Zwickau und Wildau. Mit Zwickau war schon alles klar, nur die offizielle Berufung fehlte. Und plötzlich hatte ich diese Berufung aus Potsdam für Wildau auf dem Tisch. 1996 wurde Professor Ungvári Vizepräsident, drei Jahre später nach dem Ausscheiden des Gründungs-Präsidenten Wilfried Alt, einstimmig zu dessen Nachfolger gewählt. Ich bin sehr kommunikativ, gehe auf die Leute zu, versuche integrierend zu wirken, beschreibt sich der 48-Jährige. Er lobt das moderne brandenburgische Hochschulgesetz, findet es spannend, an einer im Aufbau befindlichen Hochschule zu wirken und ist ständig dabei, Forschungsmitteln und Kooperationsverträgen nachzujagen, die Hochschule im Gespräch zu halten und Politiker davon zu überzeugen, dass Geld und Aufträge nach Wildau fließen müssen. Sein Arbeitstag beginnt pünktlich um sechs Uhr morgens, bei offenem Ende. Mir reichen sechs Stunden Schlaf! Die wenige Freizeit gilt Ehefrau Iris, Sohn Peter, 22, und Tochter Katalin, 17. Einmal im Jahr trifft man sich zum gemeinsamen Urlaub erst zum Erholen auf Rab in der Adria und dann zum Familientreffen bei der Mutter. Da kommt László Ungvári zu seinem neuen Hobby Belletristik mit historischem Hintergrund. Sein Lieblingsautor ist Ken Follet. Heimweh nach Ungarn hatte László Ungvári übrigens nie ungarische Küche ist seine Sache sowieso nicht. Mein Sekretärin sagt immer, ich esse Ungeziefer, weil meine Vorliebe Meeresfrüchten wie Scampi, Muscheln oder Fisch gilt!
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