Kirche feiert 90. Geburtstag

Rätsel um den verlorenen Altar in der Kirche

Wo ist der Altar geblieben? Mit diesem Rätsel beschäftigt sich die Zeuthener Kirchengemeinde dieses Jahr besonders intensiv.
Denn schließlich gilt es den 90. Geburtstag der Martin Luther Kirche zu begehen. Sie ist die letzte Jugendstilkirche, die in Deutschland gebaut wurde. Schon von außen ist sie markant, mit ihrem an der Seite angesetzten Turm. Innen überrascht sie mit den rekonstruierten, ornamental gestalteten Ausmalungen, die in ihrer Farbigkeit und Leichtigkeit an byzantinische Vorbilder erinnern. Einweihung der Kirche war am 21. Dezember 1914. Der Architekt, der aus Zehlendorf stammende „Königliche Regierungs- und Baurat“ Georg Büttner war damals schon tot.
Er wurde Opfer seines „Hurra-Patriotismus“. Mit 56 Jahren zog es den Hauptmann der Reserve als Freiwilligen in den Ersten Weltkrieg. „Dass ich das noch erleben darf“, sollen damals seine Worte gewesen sein. So jedenfalls zitiert Zeuthens Kirchenkantor Reinhold Warnat den Architekten.
Der Bau der schicken Kirche in Zeuthen war nötig geworden, weil der Ort ab 1870 von wohl-situierten Berlinern als idealer Standort für repräsentative Villen entdeckt worden war. Die Bevölkerung hatte sich sprunghaft von nur 168 Bewohner im Jahr 1868 bis 1925 mehr als verzehnfacht! Mit dem Anstieg der Bevölkerung in Zeuthen wurde die Miersdorfer Kirche zu klein. Behelfsmäßig fanden die Gottesdienste in der Schulaula, dem heutigen Sitzungszimmer der Gemeindeverwaltung, statt. Als der Raum für eine weitere Schulklasse benötigt wurde, musste man in die Friedhofskapelle ausweichen. Doch wer wollte im Ambiente einer Leichenhalle freudige Ereignisse wie Taufe oder Hochzeit durchführen? Die Zeuthener jedenfalls nicht!
1909 bekam Zeuthen mit dem bereits seit 1907 am Ort wirkenden Hilfsprediger Paul Thieß einen eigenen Pfarrer, der von Zeuthen aus Miersdorf mit betreute. Da musste natürlich endlich eine eigene Kirche her. Landwirt Wilhelm Guthke spendierte dafür das Grundstück im Wert von 16000 Mark. Der Kirchbauverein hatte Geld gesammelt, darunter eine Großspende von Rudolph Hertzog in Höhe von 15000 Mark. 80000 Mark waren insgesamt an Kosten veranschlagt.
In der Rekordzeit von nur einem Jahr wurde die Kirche gebaut. Die beiden Kriege und die Wirren der Nachkriegszeit hat sie unbeschadet überstanden. Doch das Jahr 1959 wurde zu einem Schicksalsjahr für die Reize der Jugendstilkirche: „Der Altaraufsatz wurde abgenommen und ist seither nicht mehr auffindbar. Die Decke wurde weiß, die Wände rosa angestrichen, von Jugendstil keine Spur mehr. Die Pyramiden auf der Orgel wurden ebenfalls entfernt und sind verschwunden. Ich verstehe ja, dass sich der Zeitgeschmack ändert. Aber dann soll man die Sachen, die man nicht mehr haben will, mit einem Holzschutzmittel einsprühen und auf den Dachboden stellen. Dann könnten sich spätere Generationen überlegen, was sie damit machen wollen“, ärgert sich Kantor Warnat. Was 1959 zerstört wurde, hat man 1986 bis 1988 mühevoll rekonstruiert. Kirchenmaler Hans Karo aus Teltow und Oberkonservator Jochen Hass sorgten damals für die Rekonstruktion des Innenraums. Altaraufsatz und Orgelpyramiden blieben aber verschollen. In diesem Herbst will die Kirchgemeinde das 90-jährige Bestehen ihrer Kirche ausgiebig feiern. Einen kleinen Wermutstropfen gibt es allerdings. Nach dem Ausscheiden des letzten Pfarrers Hartmut Hochbaum im Mai 2003 gibt es mit Dr. Malte Lippmann zwar wieder einen Geistlichen. Doch Dr. Lippmann betreut die etwa tausend Kirchenmitglieder als Wildauer Pfarrer. Denn die Kirche will Geld und damit Stellen einsparen. Damit hat Zeuthen nun zwar die schönste Kirche weit und breit, aber nach 95 Jahren erstmals keine eigene Pfarrstelle mehr.
Infos Tel. 03375/501104

Kantor Reinhold Warnat (vorne) und Pfarrer Dr. Malte Lippmann sind eifrig an den Vorbereitungen für den 90. Geburtstag der Martin Luther Kirche.

1959 wurde der Altaraufsatz abgenommen und ist seither verschollen.

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