Erfolge für die Liebe

Fregattenkapitän auf dem Zeuthener See

Der Liebe, oder noch mehr, dem Spielglück, ist es zu verdanken, dass Deutschlands Schwimm-As zum Wahlzeuthener wurde. „Mein Kumpel und ich, wir hatten uns beide in ein hübsches Mädchen, das wir am Strand von Warnemünde getroffen hatten, verliebt. Doch wer sollte die Schöne bekommen?“
Unter dem Druck der Kameraden vom Armee Sport Klub in Rostock sollte das Los entscheiden: Frank Wiegand gewann seine „Tina“ damit beim Zündhölzchen-Knobeln!
Was der späteren Liebe keinen Abbruch tat – das Paar hat mittlerweile zwei erwachsene Söhne und ist nach 41 Jahren Ehe sichtbar glücklich. „So richtig Zeit haben wir erst jetzt füreinander“, sinniert der weltweit gefeierte Zeuthener Spitzensportler. „Bis auf die letzten Jahre war ich fast immer unterwegs!“
Der Spezialist für 200- und 400-Meter-Freistil hatte über zehn Jahre den internationalen Schwimmsport geprägt. Viermal olympisches Silber, ebenso oft Europameister, neun Weltrekorde, 15 Europa-Rekorde und über 100 DDR-Rekorde mussten durch hartes Training erkauft werden.
Frank Wiegand stammt aus Annaberg im Erzgebirge. Dort hatte es ihm das örtliche Freibad angetan. Von Ecke zu Ecke mehr zappelnd denn schwimmend lernte er sich selbst im Vorschulalter, wie man sich erfolgreich über Wasser hält. „Im Winter gab es nur das Hallenbad. Das allerdings kostete Eintritt.“ Und so kam Klein-Frank auf die große Idee, sich dem örtlichen Sportverein BSG Einheit Annaberg anzuschließen. „Dann musste man nichts bezahlen, wenn man schwimmen ging.“ Bald darauf kam die erste Anerkennung: „Ich durfte als der Kleinste in der Gruppe an den Kreismeisterschaften teilnehmen.“
Der Vater war Bahnhofsvorsteher und wurde 1956 nach Dresden versetzt, die Familie zog um. Wiegand machte sich auf die Suche, ob es dort auch einen Sportverein „Einheit“ gab und wurde fündig.
Otto Kutz, der später Wiegands lebenslanger Trainer werden sollte, wurde auf den Jungen aufmerksam. „An der Wand hing immer eine Liste mit den Besten. Das reizte mich, ich wollte auch mal draufstehen“, erinnert er sich, wie sich sein sportlicher Eifer entwickelte.
Bereits 1959 kam der Durchbruch: Mit 16 wurde Frank Wiegand DDR-Meister. Bereits ein Jahr später durfte er in der gesamtdeutschen Mannschaft zu den Olympischen Spielen nach Rom mitfahren. Zwar reichte es „nur“ zum siebten Platz, doch drei DDR-Rekorde ließen aufhorchen. Bei den nächsten beiden Olympischen Spielen, 1964 in Tokio und 1968 in Mexiko, zeigte es Wiegand dann allen: Viermal Silber für die letzten gesamtdeutschen Mannschaften ließ die Bild-Zeitung von den „Silberkraulern“ schwärmen. Unter den Gratulanten waren Politiker und Prominente aus allen Lagern. Ein Telegramm von Willy Brandt hatte den Spitzen-Sportler besonders gefreut.
1966 wurde Wiegand Sportler des Jahres. Er war bei den Europameisterschaften in Utrecht dreifacher Sieger geworden und konnte mit vier Minuten und elf Sekunden einen Weltrekord auf der 400 Meter Bahn aufstellen.
Da sein Trainer Otto Kutz Ende 1960 zum Armee Sport Klub Rostock wechselte, war ihm Wiegand gleich nach dem Abi hinterhergezogen. Da in Rostock die Marine das Sagen hatte, war Wiegand offiziell Marinemitglied. Und so wurde Schwimmer Wiegand, der noch nie auf einem Schiff aktiv war, turnusgemäß befördert – bis zum „Fregattenkapitän zur See“. Und das, ohne jemals auf einem Schiff gewesen zu sein! Was brachte den kleinen Bub dazu, eine derartige Karriere hinzulegen? „Ein wenig Ehrgeiz war es schon, aber auch die Aussicht auf Vergünstigungen. So hatten wir zum Beispiel in den fünfziger Jahren eine Zusatz-Lebensmittelkarte für Fleisch und wir konnten viel reisen.“ Große finanzielle Unterstützung, so wie man sie heute kennt, gab es damals für erfolgreiche Spitzenathleten nicht. Nur auf ein Auto brauchten sie nicht so lange zu warten. Die gab es aus der Ministerreserve. Und so kam Frank Wiegand zu einem schicken Wartburg, als er noch gar keine Fahrerlaubnis hatte!
Die Zeit nach Beendigung der aktiven Karriere hat der Rekord-Schwimmer eher in schlechter Erinnerung. Daran trägt der damalige Sportchef der DDR Manfred Ewald eine große Aktie. Der Ärger begann bereits 1964, als Wiegand Schwimmer-Kumpels aus dem Westen zu seiner Hochzeit in Eichwalde eingeladen hatte. Weitere Zusammenstöße folgten. Wiegand wurde nominell Cheftrainer, „aber tatsächlich war ich damit befasst, den Umzug der Schwimmer des ASK aus Rostock nach Potsdam zu organisieren. Denn die Sportführung der DDR hatte erkannt, dass noch nicht alle Gebiete der DDR zur Talentsuche erfasst waren. Da es in Rostock zwei gleichartige Vereine gab, sollte einer ins ‘unerschlossene‘ Binnenland.“ In Potsdam war allerdings nicht mal eine Schwimmhalle da, die musste erst gebaut werden. Wiegand hatte deshalb Einiges um die Ohren.
Zeuthens Nachbarort Wildau hat nun den Sport-Star für sich entdeckt: Er soll als Vorsitzender der neue Motor des SV Motor Wildau sein. Und steht dabei schon vor einem Hindernis, das nur schwer zu umschwimmen sein wird: „Einerseits soll der Verein durch mehr Kinder, Jugendliche und auch Ältere weiter wachsen. Andererseits sind die Trainingsmöglichkeiten schon jetzt ausgeschöpft.“ Ob da die Zeuthener mit ihren modernen Sporthallen den Nachbarn vielleicht ein wenig aus der Patsche helfen können?

Frank Wiegand ist „Fregattenkapitän zur See“ und war noch nie auf einem Schiff!

Tina Wiegand kommt erst jetzt dazu, ihren Frank zu genießen.

Im Fotoalbum geblättert

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